F.C. Hertha 03 Zehlendorf

F.C. Hertha 03 Zehlendorf

15.04.2022 / 1. Herren

Und wieder: Obst!

„Kleine“ Hertha besiegt starke Stahnsdorfer 1:0 - Schlussphase in Unterzahl

Wenn die Zehlendorfer so weitermachen, kann es durchaus geschehen, dass sich die Lebenserwartung ihrer Anhängerschaft um einige Jahre verkürzt. Will heißen: Folgen noch viele ähnlich dramatische Partien wie in den letzten Wochen, tut das keinem Herzen gut. Gestern, beim hart umkämpften 1:0-Erfolg gegen starke Stahnsdorfer, gab es aus Sicht der „kleinen“ Hertha genügend Herzinfarkt-Momente. Doch am Ende lagen sich alle in den Armen, Präsident Kamyar Niroumand zeigte sich großzügig, spendierte etwas in die Mannschaftskasse und das Rechnen, Fiebern und Hoffen geht weiter.

Die Stahnsdorfer Gäste agierten von Beginn an selbstbewusst. Das verwunderte kaum: Siege gegen Blau-Weiß 90 (1:0) und den Rostocker FC (4:2) sowie ein Remis in Greifswald (2:2) geben Selbstvertrauen, „Stahnsdorf hat die wenigsten Niederlagen in der Liga und mit Patrick Hinze einen sehr ambitionierten Trainer, der sein Team extrem gut auf uns eingestellt hat“, erklärte 03-Trainer Robert Schröder nach 90 aufregenden Minuten. Und dennoch lag ein Blitzstart der Gastgeber im Bereich des möglichen. Melih Hortum luchste Laurent Markula knapp vor der Strafraumgrenze den Ball ab und schlenzte die Kugel über den am Elfmeterpunkt postierten Torhüter Daniel Hemicker aber auch übers Tor hinweg (4.). Hortum und Maximilian Obst gehörten zu den auffälligsten Antreibern in der Anfangsphase. So war es auch erneut Hortum, der nach seinem Ballgewinn allein aufs Tor zustrebte, in letzter Sekunde aber von einem Verteidiger gebremst wurde (23.). 

Vielmehr Gelegenheiten gab es anschließend aber nicht mehr. „Wir sind etwas schläfrig in die erste Halbzeit gekommen“, fand Zehlendorfs „Herr der Lüfte“ Lenny Stein, der beinahe zum Unglücksraben der Partie geworden wäre. Nachdem sich Louis-Nathan Stüwe ebenso kraftvoll wie geschickt im Strafraum durchgesetzt hatte, konnte er durch Dominik Kruska nur unsanft zu Fall gebracht werden. Den fälligen Strafstoß setzte der sonst so zielsichere Stein mit typischen „Lewandowski-Zwischenschritt“ jedoch rechts am Kasten vorbei, Heimecker war nach links abgetaucht (37.).

Die zweite Hälfte begann mit einer Schrecksekunde für die Zehlendorfer. Stahnsdorfs Tim Schönfuß wurde im Rückraum maßgerecht bedient, sein Schuss strich jedoch links vorbei (47.). Wenig später fiel auf der Gegenseite die Entscheidung: Nach einem Gewühl im Strafraum „steckte“ Igli Cami auf Obst durch, der aus Nahdistanz flach ins Eck traf (55.). Obst scheint sich zum Mann der Derbys zu entwickeln, war er auch schon vor 14 Tagen gegen Stern 1900 der Schütze des goldenen Tores. Am Ostermontag aber werden Fabian Gerdts und Schröder auf ihn verzichten müssen. Obst sah ebenso wie Mike Ryberg seine 5. Gelbe Karte, beide müssen eine Partie aussetzen.

Fortan warfen die Stahnsdorfer alles nach vorn, operierten dabei häufig mit langen Bällen, die meist eine Beute der sicheren Stüwe, Stein und Dombrowe wurden. Da lag es auf der Hand, dass sich für die Gastgeber Räume zu Gegenstößen ergaben. Zunächst lief Zulu Ernst von halblinks allein aufs Tor zu, spitzelte den Ball am Torwart vorbei, um schließlich auf Egzon Ismaili zurückzulegen. Der bediente uneigennützig Jason Rupp, der aber rechts am Tor vorbeischoss (75.). Beim zweiten Mal war Ernst erneut frei vor dem Tor, ließ sich jedoch im letzten Moment abdrängen (86.).

Doch zwischen diesen Gelegenheiten nahm der Druck der Gäste ständig zu, mussten die Zehlendorfer defensive Schwerstarbeit verrichten.  Als in der 83. Minute der zuvor eingewechselte Grabow nach einem Foulspiel „rot“ sah, mussten die Gastgeber mit dem Handicap leben, die Schlussphase in Unterzahl zu bestreiten. „Ein großes Kompliment an die gesamte Mannschaft, dass sie das Kämpfen nicht verlernt hat“ zollte Schröder seinem Team Respekt. „In den Zweikämpfen waren wir heute zu 100% da“, pflichtete ihm Kapitän Stein bei. 

Als kurz nach Dennis Dombrowes Freistoß aus 20 Metern, der wie ein Strich knapp links oben am Winkel vorbeiflog, der Schlusspfiff ertönte, kannte die Freude auf Seiten der „kleinen“ Hertha keine Grenzen. „Ich denke, dass der Sieg aufgrund der Vielzahl an Gelegenheiten zum Ende hin verdient ist. Natürlich wissen wir auch, dass wir in der ersten Halbzeit ein wenig Glück hatten. So ein Sieg ist extrem gut für die Moral“, gab Schröder später seine Einschätzung wieder. Für Stein war klar, „ dass wir spielerisch noch eine Schippe drauflegen können. Ich glaube aber, dass wir es bei diesen Platzverhältnissen doch ganz ordentlich gemacht haben.“

Wie der schwer erkämpfte Sieg zu bewerten ist? Man mag aus kritischer Sicht Kapitän Stein zustimmen: Spielerisch ist derzeit viel Luft nach oben. Wer aber die Widrigkeiten berücksichtigt, muss andere Maßstäbe anlegen. Ein von Hinze perfekt eingestellter, körperlich robuster Kontrahent, ein verschossener Elfmeter, für technisch veranlagte Teams (fast schon) unzumutbare Platzverhältnisse und eine hektische Schlussphase in Unterzahl. Alles Faktoren, bei denen (nicht widerstandsfähige) Teams schon mal „aus den Pantinen kippen können.“ Die Zehlendorfer scheinen aber gelernt zu haben, in Spielen, in denen sie ihr spielerisches Potenzial nicht abrufen können, auch einmal kämpferisch dagegenzuhalten. Das war in den vergangenen Jahren nicht immer so. Vor der Nachholpartie am Montag beim MSV Neuruppin stellen sich durch den Ausfall von Grabow, Obst und Ryberg neue Hürden auf. „Wir haben in der Saison schon mehrfach bewiesen, dass wir auf Ausfälle gut reagieren können. Wir haben Vertrauen in die Jungs“, lässt sich Schröder nicht unterkriegen. Das könnte ein Faustpfand im Saisonendspurt werden.

Hertha 03: Köster; Dombrowe, Stein, Stüwe; Heimur, Ryberg, Cami (90. +2 Langhammer), Rupp (79. Hopprich), Hortum (75. Ismaili), Obst (75. Grabow); Ernst (90.+2 Razeek)

Das Tor: 1:0 Obst (55.)

Gelbe Karten: Köster, Ernst, Ryberg, Obst, Heimur

Rote Karte: Grabow

Zuschauer: 225

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